Pränatale Bindung, Dr. Agathe Hug |
Fachabend: Zusammenfassung der Ausführungen von Frau Dr. HugAm 1. Oktober trafen sich 28 Zuhörer in der Caritas Sozialstation Obertiefenbach. Viele davon Adoptiveltern, einige Bewerber und Adoptierte. Aber auch Zuhörer, für die das Thema Adoption keine Bedeutung hat, waren der Einladung unseres Vereins gefolgt, sich einen Vortrag zum Thema „Pränatale Bindungen“ anzuhören.
Eine Vorbemerkung war Frau Dr. Hug noch wichtig: Auch wenn es für sie unbestritten pränatale Bindung gibt, die grundsätzlich gut für das Kind ist, so kann es doch durchaus Gründe für eine Adoption geben und die Weggabe das Beste für das Kind sein. Wir sahen dann einen ca. 20-minütigen Film, der von der Eheschließung bis zur Geburt eines Kindes reichte. Zunächst wurde ausführlich die Befruchtung der reifen Eizelle mit einer von 5 Millionen Samenzellen gezeigt, bei der 23 Chromosomen von der Samenzelle in den Kern der Eizelle eingebracht werden, die ebenfalls 23 Chromosomen enthält. Durch diese Verschmelzung entsteht ein neuer, einzigartiger Mensch. Es beginnt eine Zellteilung, nach einer 4-tägigen Reise durch den Eilleiter schlüpft der Embryo aus der Membran der Eizelle und nistet sich nach ca. 5 bis 7 Tagen in der Gebärmutter ein. Nach 24 Tagen ist das Herz bereits sichtbar, es beginnt nach 5 Wochen zu schlagen. In der 5. Woche werden auch die Arme angelegt (Embryo 1 cm), in der 6. Woche (1,5 cm) beginnen sich Ohren, Nase und Mund zu bilden Versorgt wird der Embryo durch die Plazenta. Nach 9 Wochen wiegt der Fötus ca. 12 g und ist etwa 4 cm groß. Er besteht nun aus ca. 1 Million Zellen. Es entwickeln sich Augen, später die Augenlider und das Hörvermögen (ca. in der 24. Schwangerschaftswoche ausgebildet). Dann nimmt das ungeborene Kind das Rauschen des Blutes der Mutter, deren Herzschlag und auch Geräusche von außen wahr. Der Geburtsvorgang verändert für das Neugeborene alles, es wird laut, hell und kalt. Vertraute Stimmen und der Herzschlag der Mutter, z.B. wahrgenommen beim Stillen, kann diese schwierige Umstellung erleichtern. Vor ca. 20 Jahren gab es schon Forschungen der Pränatalpsychologie, die aber zunächst belächelt wurde. Auch heute ist sie noch nicht völlig etabliert. 1986 kam nach Bowlby ein Kind noch ohne Bindungen auf die Welt (tabula rasa). Heute sind die Bindungsforscher sich aber einig, dass schon vor dem Geburtsvorgang Bindung vorhanden ist. Wann aber beginnt pränatale Bindung? Bindung ist eine Leistung der Seele. Ohne Leben gibt es keine Bindung, daher muss zunächst die Frage „Wann beginnt das Leben?“ beantwortet werden. Die Zuhörer hatten unterschiedliche Vorstellungen, wann das Leben beginnt. Für den einen mit dem Herzschlag, für andere bereits mit dem Austausch des Erbguts oder der beginnenden Zellteilung der befruchteten Eizelle. Frau Dr. Hug führte aus, dass zunächst verschiedene Aspekte unterschieden werden können. Rechtlich beginnt in Deutschland das Leben mit der Geburt und somit mit dem ersten Atemzug. Im Gegensatz dazu gibt es auch Länder, in denen bereits ungeborene Kinder erbberechtigt sind. Die Wissenschaft hat sich darauf geeinigt, dass der Beginn des Lebens nicht definiert werden kann. Auch ethische Ansätze helfen nicht wirklich weiter. Unter religiösem Blickwinkel ist der Beginn des menschlichen Lebens je nach Glaubensrichtung unterschiedlich definiert. So zählt im Islam der Herzschlag, im Judentum der 40. Tag der Schwangerschaft und bei den Christen bereits das Eindringen des Spermas in die Eizelle. Als nächstes schließt sich dann wieder die Frage an „Wann beginnt die Bindung und wie entwickelt sie sich weiter?“ Auch dazu gab es im Publikum unterschiedliche Auffassungen. Das Hören erschien einem Zuhörer besonders bedeutend, ein anderer meinte, „wenn es von außen etwas bekommt“, und eine Zuhörerin war der Meinung, dass zunächst genügend Nervenbahnen vorhanden sein müssten. Frau Dr. Hug stellte das Postulat auf, dass Bindung nicht entsteht, sondern IST. Die Eizelle ist ein Teil des mütterlichen Organismus, sie „denkt“ wie die Mutter. Sie enthält alle Infos des mütterlichen Individuums. Das Spermium ist zunächst Teil des väterlichen Organismus. Es enthält alle Informationen dieses Individuums und „denkt“ wie der Vater. Charakter, Emotion und Bindung werden so weitergeben. Distanzierung ist in der Gebärmutter nicht möglich, sie findet erst später statt. Die so bereits vorhandene Bindung kann sich in der Schwangerschaft weiterentwickeln. Sie wird in der Folgezeit – in der Schwangerschaft, aber auch nach der Geburt – nur gepflegt oder nicht gepflegt, und sie wird emotional gefärbt. Sie wird als sicher oder unsicher, als zuverlässig oder unzuverlässig, als etwas Positives oder etwas Negatives, als etwas Erstrebenswertes oder zur Distanz aufforderndes „erlebt“ und verinnerlicht und damit wird die spätere Bindungsfähigkeit und Bindungswilligkeit des Kindes grundgelegt. Nach Rottmann bestehen eine bewusste und eine unbewusste Einstellung der Mutter zur Schwangerschaft, die sie an das Kind signalisiert und die vom Kind wahrgenommen wird. Die beiden Botschaften können differieren. Daraus ergibt sich folgendes Schaubild
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